Dienstag, 25. Februar 2014

Sterntaler 2.0

Second Hand hatte vor einigen Jahren noch einen miefigen, trutschigen Klang. Wie, du kaufst gebrauchte Klamotten? Wie unhygienisch! Wie arm! Und überhaupt, wieso tut mensch so was, wo die Läden voll sind mit unschuldigen, ungetragenen Kleidungsstücken, die jämmerlich den Käufer anbetteln, dass er sie mitnimmt, hinein in den kuschelig warmen Schrank zu seinen neuen Kumpels? Ein Herz für Klamotten! Rettet die T-Shirts vor dem Final Sale!

Ich erinnere mich noch recht lebhaft daran, dass ich meine erste Demütigung im Second Hand-Laden um die Ecke erfuhr - nämlich beim Kauf meines Kommunionkleides. Aus heutiger Sicht hat meine Mutter natürlich ökologisch korrekt gehandelt, als sie mir ein Kleid, das ich maximal 2 Mal in meinem Leben tragen würde, gebraucht kaufte. Damals war das für mich allerdings ein Verrat. Wer träumt in dem Alter nicht davon, im Brautmoden-Geschäft in herrlichen Prinzessinnenkleidchen zu baden, dutzende anzuprobieren und dann nach Stunden das eine, das nur auf einen gewartet hat, stolz zur Kasse zu tragen?
Tja, ich stand hingegen zwischen gefühlten zwanzig Twinsets, alten Cordhosen, plüschigen und mottenzerfressenen Jacken und pellte mich hinter einem provisorischen Vorhang in zwei Kleidchen, die man mir zur Auswahl reichte. Mehr war nicht da in meiner Größe (ich war schon damals ein Lulatsch).

Nun gut, das sind fast 2 Jahrzehnte her, und heute bin ich als konsumkritischer Mensch dem Thema "Gebrauchtes" gegenüber etwas anders eingestellt. Was allerdings auch an der Einstellung der Gesellschaft liegt. Second Hand ist tot, es lebe der Vintage! Nun ist es cool, sich durch Flohmärkte und Tauschpartys zu graben und die errungenen Schätzchen dann, kombiniert mit der neuesten Mode, auszuführen.

Quelle: idealo.de
Leider fehlt mir immer noch der Nerv, in den Bergen gebrauchter Kleidung das zu suchen, was ich gerade brauche (ich kaufe Klamotten tatsächlich nach dem Einkaufslisten-Prinzip - also mit einer ganz bestimmten Vorstellung auf die Jagd gehen und auch nur das kaufen. Ja, das kann ich wirklich. Zumindest meistens.).

Insofern sind Online-Tauschbörsen wie der Kleiderkreisel für mich eine Offenbarung:

http://www.kleiderkreisel.de/

Ich kann Kleidungsart, Größe, Farbe und Material angeben und genau das finden, was ich gerne haben möchte. Aber das ist nicht der einzige Vorteil in meinen Augen:
  • Die Kleider sind getragen. Ok, das haben Tauschbörsen so an sich, aber der Punkt dabei ist, dass getragene Kleider (in hoffentlich den meisten Fällen) auch mehrfach gewaschen wurden. Und das reduziert die Schad- und Farbstoffe ganz erheblich. Kein Abfärben, kein Chemiegeruch, kein starres, hartes Gefühl des behandelten Stoffes. Es trägt sich wie das Lieblingsstück, das einen seit drei Jahren begleitet.
  • Ich knüpfe Kontakte, wenn auch nur temporär. Es ist doch viel angenehmer, mit einem netten Mädel über den Preis des Shirts zu plaudern, als sich mit dem lausigen Kundenservice von Onlineshops oder der muffeligen, arroganten Kassiererin in einer Boutique herumzuärgern.
  • Was auch gleich zum nächsten Vorteil führt: Die Preise sind verhandelbar. In einer Filiale kann ich mich nicht hinstellen und über Rabatte diskutieren, das führt fast immer zu genervtem Augenrollen (meist ist man nur bei Einzelstücken oder etwas beschädigter Ware bereit zur Kooperation). In Tauschkreiseln nimmt man dem Tauschpartner eben noch ein kleines Accessoire ab und bekommt das Shirt dann einen Ticken billiger.
  • Ein gebrauchtes Teil mehr im Schrank ist ein neues Teil weniger in der Plastiktüte. Gut, dieses eine Teil wird die Näherin in Bangladesch nicht mitkriegen. Aber gerade bei solchen Konsum-Kleidungsstücken wie etwa Oberteilen, die in rauen Mengen gekauft werden, kann konsequentes Second Hand so einiges ausmachen.
  • Ich rette ein (eigentlich noch völliges brauchbares) Kleidungsstück vor dem vorzeitigen Ende im Kleidersack oder gar im Mülleimer. Und das, weil es nicht mehr passt, unmodisch wurde, doppelt gekauft ist, noch nie getragen wurde, was auch immer.
  • Ein Tausch = zwei glückliche Menschen. Was der andere nicht mehr haben und sehen mag, finde ich selbst vielleicht richtig toll.
Natürlich ist es mühsam, jeden Pulli erst zu suchen, auszuhandeln, online zu bezahlen und dann auf den Versand zu warten, der gerne auch mal etwas länger dauern kann. Aber dieses eine, von Hand selektierte Stück, an das erinnere ich mich im Kleiderschrank. Das ziehe ich gern an, das geht nicht in der Masse unter, die ich früher mal aus dem Textilschweden schleppte. Das hat was gutes getan.

Und schon hat mich ein Mensch zufrieden gemacht.

Ein Sterntaler 2.0 eben.

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